Hiddensee hat sich gelohnt

Alke Brinkmann zeigt ihre dramatische Landschaftsmalerei in der Galerie Raab

Wer auf die Insel Hiddensee fährt, der will sich zurückziehen. Der will jenen wunderbaren Moment erleben, wenn er allein ist mit der kargen Natur der Insel, mit dem Strand, dem Meer, den Wellen, den Wolken. Noch gelingt so etwas auf Hiddensee, obwohl auch dort das Mondäne lauert und sich irgendwann dieser einzigartigen kleinen Welt bemächtigen wird - wie anderswo schon längst geschehen. Noch ist der Hiddensee-Besucher auf sich selbst zurückgeworfen. Wenn irgendwann dieser unglaubliche Moment der Stille kommt, in dem bestenfalls das Meer noch still rauscht, möchte man diese Vollkommenheit festhalten. Das Meeresrauschen immer hören, auch zu Hause, wenn es sein muß vom Tonband unter Kopfhörern. Das Bild von den Wellen, die ans Ufer schlagen, immer irgendwo in der Wohnung sehen, um diesem Moment wieder nahezukommen, wenn man das Bild betrachtet. Es funktioniert jedoch nicht, den Moment beliebig zu reproduzieren. Er ist einmalig, es helfen weder Tonband noch Foto, vielleicht nicht einmal das abermalige Reisen. Es sei denn, das Bild erfüllt den Betrachter so vollkommen, daß er es gleichsam in sich mitnimmt. Ein Maler kann das, welch eine Gabe! Wenn er die Landschaft malt, ist sie mehr als eine Landschaft. Sie ist das, was ihn erfüllt.

Alke Brinkmann hat von der Insel Hiddensee riesige, schmale Formate gemalt, 2,40 Meter hoch, einen Meter breit. Sie ist 34 Jahre alt, stammt aus Saarbrücken und lebt seit 1988 in Berlin. Sie hat Kulissen für das Theater gemalt oder gemeinsam mit Freunden Bücher geschrieben, gemalt und gezeichnet. Die formale Heftigkeit ihrer Malerei, wie sie einmal genannt wurde, hat sicher nichts mit "Wilder Malerei" zu tun. Frau Brinkmann bedient sich einer klassischen Landschaftsmalerei, ohne deshalb eine klassische Landschaftsmalerin zu sein. Als sie 1995 den Förderpreis für junge Kunst der Stadt Konstanz bekam, wurde ihr in der Laudatio ein "unübersehbares Wollen" bescheinigt. Aus dem unübersehbaren Wollen ist ein unübersehbares Können geworden. Alke Brinkmann kennt ihren Weg. Ihre Selbstsicherheit läßt sich nicht entmutigen von der beliebigen Vielfalt einer freien Kunst, aus der man nur schwer herausragen kann. Die großen, lauten Formate über die Meeresstille, seit vergangener Woche in der "Raab"-Galerie in der Potsdamer Straße zu sehen, zeigen kein Zögern, kein Bedenken. Der Stil ist gefunden, Hiddensee hat sich gelohnt. Ein zweiter kleinerer Raum in der Galerie erzählt von Alke Brinkmanns bisherigen Versuchen. Porträts ihres Kindes sind dort zu sehen, viele Insekten und Fische hat sie gemalt. Ihre Buchkunst wird hier ausgestellt, ihre Skizzenhefte. Das alles ist eine schöne Ergänzung zu dem Zyklus im großen Raum, dessen Bilder sehr zu Recht auch ihren Preis haben.

(von Frank Pergande)